Welche Effekte Zugangsregelungen auf die österreichische Hochschullandschaft haben, darüber gab es gestern im Wissenschaftsausschuss eine stark ideologisch geprägte Debatte. Während ÖVP, NEOS und Team Stronach von Aufnahmeverfahren eine Qualitätssteigerung bei Universitätsstudien erwarten, befürchten SPÖ und Grüne eine vermehrte soziale Selektion aufgrund von Zugangsbeschränkungen. Die FPÖ wiederum vermisst bei den derzeitigen Zugangsregelungen eine nachweisbare Wirkung im Universitätsbetrieb. Diskussionsgrundlage war eine umfassende Evaluierung der mit Ende 2015 bzw. 2016 befristeten Regelungen des Hochschulzugangs sowie der Studieneingangs- und Orientierungsphase (StEOP). Als federführende AutorInnen der Berichte befanden Martin Unger, Sigrid Nindl und Brigitte Tiefenthaler bei ihren Stellungnahmen im Ausschuss zwar, große Veränderungen in der sozialen Zusammensetzung der Studierenden hätten sich seit Einführung der Aufnahmeverfahren nicht ergäben; allerdings sei der Prüfzeitraum zu kurz gewesen, um bereits fundierte Aussagen über die Auswirkungen der Zugangs- und Aufnahmeregelungen treffen zu können.
Vor einer übereilten Interpretation der Evaluierungsergebnisse warnte auch Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner, da sie noch keine empirischen Schlüsse zuließen. Allerdings lese er aus den Berichten bereits die Tendenz heraus, dass sich Studierende gewissenhafter mit ihrem Studium auseinandersetzen, wodurch die Abbruchsrate sinke. Keinesfalls begründet seien Befürchtungen über eine soziale Selektion als Folge der Aufnahmeregelungen, immerhin habe man in den letzten zehn Jahre eine Steigerung der Studierendenzahl um fast 40 % verzeichnet, so Mitterlehner. Österreich brauche eine Steuerung des Unizugangs, um im Sinne der Qualität eine verantwortungsvolle Mittelverwaltung im Wissenschaftsbereich zu gewährleisten; eine Ausweitung der Aufnahmeverfahren sei daher anzudenken.
Im weiteren Sitzungsverlauf standen anhand von Oppositionsanträgen die ÖH-Studierendenbeiträge, Varianten der Studienplatzfinanzierung und die Zukunft der Gender Studies angesichts der heiklen universitären Budgetsituation im Fokus der Debatte.
ExpertInnen orten wenig soziale Verschiebung durch Zugangsverfahren
Vor zehn Jahren wurden erstmals kapazitätsorientierte Zugangsregelungen eingeführt, um – begrenzt mit Ende nächsten Jahres – die Studierendenzahlen zu steuern, und zwar in den Studienrichtungen Human- und Zahnmedizin, den Veterinärmedizinischen Studien, Psychologie sowie Publizistik und Kommunikationswissenschaften. 2013 folgten befristet mit Ende dieses Jahres weitere Zugangsbeschränkungen bei den Studienfeldern Wirtschaft, Architektur, Biologie, Informatik und Pharmazie. In seinen Ausführungen über die bislang festgestellten Effekte der Aufnahmeregelungen informierte der Experte des Instituts für Höhere Studien Martin Unger, einerseits habe sich im Vergleich zu den Vorjahren die Zahl der StudienanfängerInnen insgesamt deutlich reduziert. Andererseits wies er auf Unterschiede in den Studienrichtungen hin: Große Rückgänge in Wirtschaftsstudien seien beispielsweise mit Zuwächsen beim Informatikstudium einhergegangen. Obwohl der Soziologe Unger ebenso wenig wie die Unternehmensberaterinnen Sigrid Nindl und Brigitte Tiefenthaler eine starke soziale Selektion aufgrund der Aufnahmebestimmungen ausmachte, zeigte er sich besorgt darüber, dass Personen, die berufsbegleitend studieren, offensichtlich mehr Probleme mit den neuen Aufnahmeverfahren hätten – insbesondere bei dieser Personengruppe sei in den vergangenen drei Semestern eine geringere AnfängerInnenzahl zu beobachten gewesen.
Einen tatsächlichen Anstieg von Studierenden mit akademischem Hintergrund habe man aber nur bei den Studien der Human- und Zahnmedizin festgestellt, hob Nindl hervor, die bestimmte Zulassungsvoraussetzungen nicht per se als Kriterien für die Studienwahl sehen wollte. Das zeige sich etwa beim Publizistikstudium. Hingegen trügen die Regelungen durchaus zu einer längeren Verweildauer im Studium und einer erhöhten Prüfungsaktivität bei. Konkret eingehend auf die gesetzliche Möglichkeit qualitativer Zulassungsbedingungen von Master- und Doktoratsstudien teilte Tiefenthaler dem Ausschuss mit, die Universitäten nutzten dieses Instrumentarium zwar noch selten, würden aber eine Verlängerung der Regelung durchaus begrüßen. Nach Einschätzung der Rektorate erhielten Studierende dadurch eine Absicherung, über die erforderlichen Qualifikationen für einen erfolgreichen Abschluss zu verfügen.
Äußerst schwer getan bei der Bewertung hätten sich die VerfasserInnen des Berichts in puncto StEOP, führte Unger weiter aus, habe doch die Erfolgsrate Studierender in dieser Eingangsphase je nach Universität zwischen 9% und 85% gelegen. Als Grund dafür nannte der IHS-Experte vor allem die höchst unterschiedlichen Anforderungen der von den Unis autonom festgelegten StEOP-Regelungen. Grundsätzlich empfahl Unger eine Kürzung der Orientierungsphase am Beginn des Studiums.
Grundsatzdebatte über Freiheit des Hochschulzugangs
Aus den Evaluierungsberichten gehe klar hervor, analysierte Wissenschaftsminister Mitterlehner, die Aufnahmeverfahren bewirkten keine negative Auslese, weder geschlechterspezifisch noch sozial, steigerten aber die Verbindlichkeiten bei der Studienwahl. Außerdem motivierten die Regelungen dazu, sich besser auf ein Studium vorzubereiten, wiewohl die finanzielle Belastung zur intensiven Vorbereitung auf Zulassungstests zu diskutieren sei. Von den Universitäten selbst würden die Bestimmungen zu Aufnahmeverfahren und StEOP als hilfreiche Steuerung empfunden, so der Bundesminister. Eine Ausweitung der Regelungen für Studienfelder wie Rechtswissenschaften oder Chemie sollte daher verhandelt werden.
In die gleiche Kerbe schlug ÖVP-Wissenschaftssprecher Karlheinz Töchterle. Die Zugangsregelungen seien unbedingt fortzuführen und auf andere Studien auszudehnen, um die Qualität der akademischen Ausbildung zu erhöhen. Besonders die Studierenden profitierten davon, wie die bessere Betreuungssituation und der Rückgang an Studienabbrüchen zeigten. Klar bezog der ehemalige Wissenschaftsminister Position gegen einen völlig offenen Zugang zu Universitäten, da mangelnde Steuerung zu unzumutbaren Zuständen im Hochschulbereich führe. Die Unis wollten Beschränkungen der Studierendenzahlen, zumal der StudentInnenanteil in Österreich über jenem Deutschlands liege.
Dem hielt Grünen-Wissenschaftssprecherin Sigrid Maurer entgegen, das Recht auf höhere Bildung werde mit Zugangsbeschränkungen untergraben. In Wirklichkeit führten die Aufnahmeverfahren zu einer drastischen sozialen Selektion an den Universitäten, schon allein wegen der Kosten in der Vorbereitungsphase für die Aufnahmetests, etwa in Medizin. Anstatt allen, die studieren möchten, ein Studium zu ermöglichen, treibe die Bundesregierung das Prinzip der Bildungsvererbung weiter voran. Und das, obwohl die Volkswirtschaft fraglos Bedarf an mehr AkademikerInnen habe. Etwas milder äußerte sich Maurer zur Studieneingangs- und Orientierungsphase (StEOP), wobei sie wie auch Katharina Kucharowits (S) dafür plädierte, diese sinnvoller auszugestalten, gerade in interdisziplinärer Hinsicht. Anzudenken wäre Andrea Kuntzl (S) zufolge ein gesetzlich eindeutig definierter ECTS-Rahmen für die StEOP, ohne jedoch die Autonomie der Unis bei der Ausgestaltung der Orientierungsphase einzuschränken.
Entschieden widersprachen die SPÖ-Wissenschaftssprecherin und ihre Parteikollegin Kucharowits dem positiven Urteil, das Töchterle und Mitterlehner über Zugangsregelungen fällten. Aus gutem Grund trete die SPÖ dafür ein, die derzeitigen Maßnahmen zur Beschränkung des Hochschulzugangs nur befristet vorzusehen und sie zu evaluieren, unterstrich Kuntzl. Sei doch ein umsichtiges Vorgehen bei diesem heiklen Eingriff geboten. Ehe über eine Verlängerung nachgedacht werde, müsse man längere Beobachtungen der Auswirkungen anstellen, urgierte sie mit Hinweis auf die abschreckende Wirkung der Aufnahmeverfahren, speziell für Studieninteressierte ohne akademischen Elternhaus. Wie Maurer beanstandete sie zudem, die Vorbereitung für Aufnahmetests sei eine finanzielle Belastung für StudienanwärterInnen. Die parteipolitisch unterschiedliche Bewertung der Evaluierungsergebnisse sei wohl ideologisch begründet, richtete Elmar Mayer (S) dem Koalitionspartner ÖVP aus. Die Sozialdemokratie wehre sich mit allen Mittel gegen jedwede soziale Selektion und habe daher eine äußerst kritische Sicht auf Zugangsbeschränkungen, was SPÖ-Mandatar Philip Kucher vollinhaltlich bestätigte.
Ein Plädoyer für Aufnahmeverfahren an heimischen Hochschulen hielt wiederum Nikolaus Scherak (N). Nicht Zugangsbeschränkungen an Universitäten hätten eine negative soziale Auswirkung auf die Studierendenpopulation, sondern die zu frühe Richtungsentscheidung an den Schulen. Problemfelder, die sich etwa im Rahmen der StEOP für berufsbegleitend Studierende ergäben, seien von der Politik zu beheben, ohne von der Idee einer Zugangsregelung grundsätzlich abzugehen, appellierte der NEOS-Wissenschaftssprecher.
Sein Bereichskollege vom Team Stronach Rouven Ertlschweiger verstärkte diesen Aufruf, indem er neben Zugangsregelungen an Universitäten auch Studiengebühren als Instrument zur Qualitätssteigerung ins Treffen führte. Die Politik habe hier, flankiert von sozial verträglichen Maßnahmen, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen.
FPÖ-Abgeordneter Axel Kassegger hingegen bezweifelte, inwieweit die geltenden Bestimmungen zu mehr Qualität in den Studien beitragen; letztlich erreiche man damit nur eine Verschiebung der Studierendenströme hin zu Fächern mit unbeschränktem Zugang, skizzierte er am Beispiel des Wirtschaftsrecht-Studiums. Freundlichere Worte fand Kassegger indes für die Praxis des self-assessment in der Studienvorbereitungsphase und wünschte sich derartige Initiativen schon in der Schulzeit, weil dadurch die Erwartungen an die Studierenden rechtzeitig vermittelt würden. Trotz heftiger Debatte nahmen bis auf die Freiheitlichen alle Fraktionen das Berichtskonvolut betreffend Evaluierung der Aufnahmeverfahren zur Kenntnis.
Ohne zu viele Details über die laufenden Verhandlungen zur Leistungsvereinbarungsperiode preisgeben zu wollen, informierte Wissenschaftsminister Mitterlehner schließlich noch den Ausschuss, insgesamt stünden den Universitäten im Zeitraum zwischen 2016 und 2018 9,7 Mrd. € zur Verfügung, also um 615 Mio. € mehr als in der Periode 2013-2015. Für eine Wiedereinführung der Studentenheimförderungen fehle es derzeit jedoch an Geld.
FPÖ will ÖH-Beitrag auf ein Viertel reduzieren
Gegen die „Zwangsmitgliedschaft“ Studierender bei der Österreichischen HochschülerInnenschaft macht FPÖ-Wissenschaftssprecher Andreas Karlsböck mobil: da höchstens ein Viertel der Studentinnen und Studenten sich mit den Aktivitäten der ÖH auseinandersetze, meint er in seinem Antrag, sei die verpflichtende Mitgliedschaft grundsätzlich abzulehnen. Vorerst solle zumindest der Beitrag an die Interessenvertretung von derzeit 18 € auf 4,50 € gesenkt und die jährliche Indexanpassung gestrichen werden. – Der Antrag wurde vertagt.
NEOS drängen zur Eile bei Studienplatzfinanzierung und präsentieren Modell für Bildungsdarlehen
NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak kritisiert den Aufschub der Pläne zur Umsetzung der so genannten kapazitätsorientierten, studierendenbezogenen Universitätsfinanzierung seitens der Bundesregierung. Ob die von der Anzahl der Studienplätze abhängige Finanzierung der universitären Lehre tatsächlich wie geplant bis 2019 realisiert wird, sei angesichts der Verzögerungen stark zu bezweifeln, klagt er. Ziel des 2013 beschlossenen Finanzierungsmodells ist, die Betreuungssituation an Universitäten zu verbessern und so die Qualität der Studienbedingungen zu heben.
Studiengebühren als rückzahlbares Bildungsdarlehen sind für Scherak (N) zudem ein sinnvolles Mittel, der budgetär prekären Lage von Universitäten beizukommen. In seinem Entschließungsantrag skizziert der NEOS-Mandatar dieses System von nachgelagerten Studiengebühren, die durch ein staatliches Bildungsdarlehen vorfinanziert und dann je nach finanzieller Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben abbezahlt werden. Diese Beitragsvariante wäre laut Scherak sozial gerechter als der Status Quo und würde den unterfinanzierten österreichischen Universitäten eine neue Finanzierungsquelle erschließen. Über die Einführung von Studiengebühren und ihre Höhe – innerhalb eines gesetzlich vorgeschriebenen Rahmens – sollen nach seinen Vorstellungen die Universitäten autonom entscheiden können.
Die Anträge der NEOS wurden auf Vorschlag von Beatrix Karl (V) mit SPÖ-ÖVP-Mehrheit vertagt. Karl bekannte sich zu beiden Anliegen und informierte darüber, dass die Einführung der Studienplatzfinanzierung weniger rasch als ursprünglich vorgesehene eingeführt werde. Sie trete auch für Studienbeiträge ein, über deren Einführung werde bei den nächsten Regierungsverhandlungen zu reden sein. Sigrid Maurer (G) lehnte Studiengebühren hingegen ab, weil es eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung für akademische Studien gebe. Philip Kucher(S) schloss sich Maurer mit dem Argument an, Studiengebühren seien unsozial.
Grüne fürchten Aus für Frauen- und Geschlechterforschung an den Universitäten
Die schlechte Finanzsituation an den Universitäten könnte nach Ansicht der Grünen zu Einschränkungen bei der akademischen Frauen-und Geschlechterforschung führen. Insbesondere an der Universität Wien sei die gesamte Studienrichtung „Gender Studies“ aufgrund der Nicht-Weiterführung der Professur „Interdisziplinäre Geschlechterforschung“ gefährdet, warnt Abgeordnete Sigrid Maurer (G). Die Grünen-Wissenschaftssprecherin will daher für die kommende Leistungsvereinbarungsperiode 2016-2018 mit den Universitäten die Finanzierung aller Professuren mit Teil- und Vollwidmung im Bereich Frauen- und Geschlechterforschung sichergestellt wissen.
„Diese Thema ist mir wichtig“, sagte Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner und bemühte sich, Bedenken der Antragstellerin wegen der Finanzierung von Gender-Studien zu zerstreuen. Der Antrag wurde nach positiven Wortmeldungen von Nikolaus Scherak (N) und Katharina Kucharovic (S) auf Vorschlag von Eva-Maria Himmelbauer (V) im Hinblick auf bevorstehende Verhandlungen über Leistungsvereinbarungen mit den Universitäten mit SPÖ-ÖVP-Mehrheit vertagt.