Ungefähr zehn Milliarden Menschen werden ab 2050 auf unserer Erde leben, und sie alle werden gesunde, proteinreiche Nahrung benötigen. Eine beliebte Nahrungsquelle sind Fische, doch Fischzucht hat auch gravierende Nachteile für die Umwelt: Schon bei der Errichtung von Fischfarmen wird in natürliche Lebensräume eingegriffen, die entstehenden Abwässer – mit hohen Konzentrationen an Nahrungsresten, Fischkot oder auch Antibiotika und Pestiziden – können im weiten Umkreis für Probleme sorgen.
Aber kann man Fischzucht nicht auch ganz anders betreiben? Das Startup-Unternehmen Blue Planet Ecosystems entwickelt mit Unterstützung der TU Wien eine Technologie, die ein Ökosystem im Kleinen nachbildet. Fischzucht findet in einem geschlossenen Kreislauf statt, sodass Schäden für die Umgebung ausgeschlossen sind. Aus Luft und Sonne wird somit wertvolle Nahrung. Möglich wird das durch ausgeklügeltes Monitoring und hochentwickelte Verfahrenstechnik.
In drei Stufen von der Sonne zum Fisch
„Schon heute verwenden wir weltweit gewaltige Flächen für die Nahrungsmittelproduktion“, sagt Paul Schmitzberger, CEO von Blue Planet Ecosystems. „Auch wenn die Weltbevölkerung weiterwächst, sollten wir diesen Flächenbedarf keinesfalls ausbauen, sondern ihn möglichst reduzieren, um die Artenvielfalt auf unserem Planeten zu sichern.“ Innovative, umwelt- und flächenschonende Technologien der Nahrungsmittelerzeugung werden daher an Bedeutung gewinnen.
„Die Grundidee ist, ein aquatisches Ökosystem auf kontrollierte Weise nachzubilden“, sagt Georg Schmitzberger, COO. Dafür entwickelt man ein dreistufiges System: In einer ersten Einheit lässt man Mikroalgen wachsen. Sie betreiben Photosynthese, nehmen CO2 auf und wandeln somit die Energie der Sonne in organische Verbindungen um. In einer zweiten Einheit dienen diese Algen dann als Futter für Zooplankton – verschiedene kleine Lebewesen in einer Größe von Millimetern oder weniger. Dieses Zooplankton konzentriert die Nährstoffe, reinigt das Wasser und dient dann als Futtermittel für die dritte Einheit.
In der dritten Einheit werden dann jene Tiere gezüchtet, die dann schließlich auf dem Teller landen sollen – nämlich Fische oder auch Garnelen. Das Abwasser dieses Fischtanks wird dann in die erste Stufe zurückgeführt, um den Kreislauf zu schließen. „Auf diese Weise können wir auch mit der knappen Ressource Süßwasser sehr sparsam umgehen – das war uns besonders wichtig“, sagt Cécile Deterre, CTO. „Es ist auf diese Weise also sogar möglich, in kargen Wüstengebieten Fische zu züchten – solange dort nur ausreichend Sonne scheint.“
Clevere Messtechnik sorgt für stabile Kreisläufe
Damit dieser Kreislauf problemlos stabil gehalten werden kann, muss er laufend überwacht werden. Das Team von Prof. Oliver Spadiut am Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und technische Biowissenschaften der TU Wien hat viel Erfahrung damit, Mikroorganismen für technische Anwendungen einzusetzen.
„Wir untersuchen, wie variabel die Eigenschaften des Fischabwassers sind, und durch welche Parameter sie bestimmt werden“, erklärt Ricarda Kriechbaum, die im Rahmen ihrer PostDoc-Arbeit an diesem Projekt forscht. „Entscheidend ist, wie man die Mikroalge Chlorella vulgaris in der ersten Stufe des Kreislaufs dazu bringen kann, optimal und dauerhaft Biomasse zu erzeugen. Durch unsere Messungen lässt sich das genau vorhersagen, sodass man gegebenenfalls auch gezielt in das System eingreifen kann, bevor es aus dem Gleichgewicht gerät.“
Trotz der nötigen Messtechnik soll das Gesamtsystem einfach und leicht zu bedienen sein. „Man benötigt kein Spezialpersonal, das ständig den Überblick behält“, sagt Oliver Spadiut. „Wenn man das System mal wissenschaftlich verstanden und in mathematischen Modellen beschrieben hat, lässt es sich etwa auch mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz sehr zuverlässig steuern. Ein Mensch, der zur Sicherheit die aktuellen Werte am Computerbildschirm mitverfolgt, kann viele solcher Fischfarm-Einheiten gleichzeitig überwachen.“
Auf diese Weise sollen modulare Systeme entstehen, durch die man in vielen Regionen der Welt auf ökologisch unbedenkliche Weise wertvolle Nahrung erzeugen könnte – und das bei minimalem Platzbedarf. Man erhält Fisch oder Garnelen in bestens überwachter Qualität, ohne Antibiotika und ohne schädliche Auswirkung auf die Umwelt.