Es ist alltäglich und doch eine der wichtigsten physikalischen Reaktionen aus der Welt der Quantenforschung: Licht trifft auf Materie und das führt zu unterschiedlichsten Phänomenen; Menschen riskieren einen Sonnenbrand, schwarze Flächen werden heiß und in Fotovoltaik-Anlagen entsteht Elektrizität. Doch was steckt dahinter? Wenn ein Lichtteilchen, ein Photon, in einem Molekül auf ein Elektron trifft, schleudert es dieses aus seiner Bahn. Experten sagen, das Elektron wird angeregt, es gelangt auf eine höhere Ebene. Dabei hinterlässt es einen leeren Platz, ein Elektronenloch, mit dem es aber quantenmechanisch verbunden bleibt. Es entsteht ein Quasi-Teilchen, das „Exziton“ genannt wird.
Doch welche Eigenschaften besitzen diese Quasi-Teilchen, was vermögen sie, wie sehen sie aus? Die Klärung dieser Fragen stellte lange Zeit als große Herausforderung dar. Forschende der Universitäten Göttingen, Graz, Kaiserslautern-Landau und Grenoble-Alpes gelang nun ein entscheidender Durchbruch. Sie konnten gleich mehrere Bilder von solchen Exzitonen aufnehmen. Eine bemerkenswerte Leistung angesichts der rasanten Veränderung und der winzigen Größe. Es geht hier um 0,000000000000001 Sekunden und eine Länge von 0,000000001 Metern. Die wegweisenden Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht
Wiebke Bennecke, Physikerin an der Universität Göttingen und Erstautorin der Studie, führt aus: „Wir erfassen die Änderungen mit außerordentlich präziser räumlicher sowie zeitlicher Auflösung und setzen diese in Bezug mit den theoretischen Vorhersagen der Quantenmechanik.“ Diese neue Methode bezeichnen die Forschenden als Photoemissions-Exzitonentomographie.
Komplexe Bilder
Diese Technologie ermöglicht es den Wissenschaftler:innen, die quantenmechanische Wellenfunktion der Exzitonen messen und sichtbar machen. Das Team der Universität Graz trägt wesentlich zur Auswertung der Daten bei, indem es die theoretischen Modelle für die Analyse bereitstellt. „Der Aufbau in Göttingen ist einzigartig und kann diese komplexen Bilder machen. Wir können dann erklären, was man darauf sieht“, sagt Peter Puschnig, Leiter des Forschungsteams an der Universität Graz.
Der Göttinger Physiker Dr. Matthijs Jansen verdeutlicht die Bedeutung der Erkenntnisse: „Wir haben organische Halbleiter auf Kohlenstoffbasis untersucht, die etwa in speziellen Fotovoltaik-Anlagen oder in den OLED-Bildschirmen von Smartphones Einsatz finden.“ Die Aufnahmen veranschaulichen, wie sich das Exziton binnen Kürze auf mehrere Moleküle verteilt und innerhalb weniger Femtosekunden (ein Millionstel einer Milliardstel Sekunde) wieder zusammenschrumpft.
Puschnig betont: „Mit den Ergebnissen bestätigen wir das theoretische Modell, an dem wir an der Universität Graz arbeiten.“ Das kann beispielsweise bei der Entwicklung neuartiger Fotovoltaik-Technologie auf organischer Basis hilfreich sein. „Wir verstehen nun besser, wie der Prozess der Stromerzeugung mit solchen Anlagen funktioniert.“ Die Vision hinter der Forschung: Mit neuen Technologien soll mehr Strom aus dem Sonnenlicht gewonnen werden.
Nächster Schritt: Videos
Diese neuen Fotos der Exzitonen sind keineswegs der Abschluss der Forschung, sondern vielmehr der Beginn weiterer intensiver Analysen. Der nächste Schritt ist die Aufnahme von Videos des Quasi-Teilchens, sagt der Göttinger Forscher Jansen: „Wir hoffen, dass dieses Wissen dazu beitragen wird, effizientere Materialien für Solarzellen zu entwickeln.“
Auch das Grazer Team widmet sich nun verstärkt der Weiterentwicklung der zugrunde liegenden Theorie. Dafür erhielten die Forscher:innen Finanzmittel aus den ERC-Grants der EU, unter dem Titel „Orbital Cinema“.
Die Forschung wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der Sonderforschungsbereiche „Atomare Kontrolle der Energieumwandlung“ und „Mathematik des Experiments“ in Göttingen sowie „Spin+X“ in Kaiserslautern-Landau gefördert.
Publikation
Bennecke, W. et al., Disentangling the multiorbital contributions of excitons by photoemission exciton tomography. Nature Communications (2024).