Um die Einstellung der Öffentlichkeit gegenüber der Genomforschung und der gemeinsamen Nutzung von Daten zu ermitteln, haben Forscher*innen der Forschungsgruppe „Gesellschaft und Ethik“ insgesamt 36.268 Menschen in 22 Ländern und insgesamt 15 Sprachen befragt.

Insgesamt gaben etwa zwei von drei Befragten an, dass sie mit dem Themenbereich der Genetik und Genomik nicht vertraut sind. Während 52 Prozent der Befragten sagten, sie seien bereit, Ärzt*innen anonym ihre DNA und medizinische Informationen zu Forschungszwecken zur Verfügung zu stellen, wäre nur eine/r von drei Befragten bereit, diese Daten gewinnorientierten Unternehmen wie etwa Pharmafirmen zur Verfügung zu stellen.

Was die Nutzung persönlicher genetischer und gesundheitsbezogener Daten betrifft zeigt die Umfrage eine große Diskrepanz im Vertrauen, das Menschen gegenüber medizinischen Fachleuten einerseits und Forscher*innen in gewinnorientierten Institutionen andererseits brauchen. Gerade auch weil die Zusammenarbeit zwischen gemeinnützigen Organisationen und profitorientierten Firmen in vielen Ländern sehr üblich ist, ist dies ein Problem, das gelöst werden muss. Der Nutzen der Genomforschung kann sich nur dann entfalten, wenn Daten allen Forscher*innen offenstehen.

Neben diesen allgemeinen Trends hat die großangelegte Studie aber auch nationale Unterschiede gezeigt.  Weniger als 30% der Befragten in Deutschland, Polen, Russland und Ägypten gaben an, dass sie mehr als einer Art von Forschungsorganisationen vertrauen, während dies in China, Indien, Großbritannien und Pakistan über die Hälfte der Befragten taten. In einigen Ländern – vor allem in Indien, aber in geringerem Maße auch in den USA, China und Pakistan – ist die Unterscheidung zwischen gemeinnütziger und gewinnorientierter Forschung weniger deutlich und die Notwendigkeit, Daten mit gewinnorientierten Organisationen auszutauschen, wird stärker akzeptiert.

„Die Studie macht deutlich, wie wenig Menschen mit der Genomforschung vertraut sind, und wie gering die Bereitschaft ist, sich daran zu beteiligen. Dieses mangelnde Vertrauen in die Art und Weise, in der Daten (auch grenzüberschreitend) geteilt werden, könnte die Genomforschung erheblich behindern. Denn diese ist darauf angewiesen, dass Kliniker*innen und auch sowohl gemeinnützige und gewinnorientierte Forschung weltweit genetische Daten miteinander teilen können“, sagt Anna Middleton, die Leiterin der Forschungsgruppe „Gesellschaft und Ethik“ und Hauptautorin der Studie.

Barbara Prainsack, Mitautorin des Papiers und Leiterin des deutschsprachigen Teils der Studie, fügt hinzu: „Es geht nicht nur darum, das Vertrauen der Bevölkerung zu erhöhen. Es geht darum, sicherzustellen, dass Forschungsinstitutionen Daten auf vertrauenswürdige Weise verwenden und teilen, und dass selbst bei gewinnorientierter Forschung ein Teil des Profits zurück in die Hände der Allgemeinheit gelangt.“

Barbara Prainsack arbeitet derzeit auch zusammen mit Christiane Druml von der Medizinischen Universität Wien in einem gemeinsamen Projekt mit dem Ludwig Boltzmann Institute for Rare and Undiagnosed Diseases an der Frage, wie genetische Information am besten an Patient*innen kommuniziert werden können.

Publikation in „American Journal of Human Genetics“:
Middleton A., Milne R. and Almarri M.A. et al. (2020). Global public perceptions of genomic data sharing: what shapes the willingness to donate DNA and health data? American Journal of Human Genetics.
https://www.cell.com/ajhg/fulltext/S0002-9297 (20)30292-5