Die einzigartige Fähigkeit komplementärer DNA-Sequenzen, sich zu erkennen und als Duplexe zusammenzufügen, ist der biochemische Mechanismus dafür, wie Gene abgelesen und kopiert werden. Die Regeln der Duplexbildung (auch Hybridisierung genannt) sind einfach und unveränderlich – was sie vorhersehbar und auch programmierbar macht. Die Programmierung der DNA-Hybridisierung ermöglicht es, synthetische Gene zusammenzusetzen und Nanostrukturen in großem Maßstab zu bauen. Dieser Prozess setzt immer eine perfekte Sequenzkomplementarität voraus. Eine Programmierung der Instabilität erweitert die Möglichkeiten zur Manipulation molekularer Strukturen erheblich und findet Anwendung im Bereich der DNA- und RNA-Therapeutika. In dieser neuartigen Studie haben Forscher*innen am Institut für Anorganische Chemie der Universität Wien gezeigt, dass durch kontrollierte Hybridisierung 16 Millionen Farben erzeugt werden können und jedes digitale Bild im DNA-Format genau reproduziert werden kann.

Leinwand in Fingernagel-Größe

Um Farben zu erzeugen, werden verschiedene kurze DNA-Stränge, welche mit fluoreszierenden Molekülen (Markern) ausgestattet sind, mit einem langen komplementären DNA-Strang auf der Oberfläche hybridisiert. Die verwendeten Marker können entweder rot, grün oder blau leuchten. Um die Intensität der einzelnen Farben zu variieren, wird die Stabilität einer Duplex durch gezieltes Entfernen von Basen des DNA-Strangs an zuvor festgelegten Positionen entlang der Sequenz verringert. Eine geringere Stabilität führt zu einem dunkleren Farbton, und die Feinabstimmung dieser Stabilität ermöglicht 256 Farbtöne pro Farbkanal. Innerhalb einer DNA-Duplex können alle Schattierungen gemischt und angepasst werden, wodurch 16 Millionen Kombinationen entstehen und die Farbkomplexität moderner digitaler Bilder erreicht wird. Um diesen Grad an Präzision bei der Übersetzung von DNA in Farbe zu erreichen, mussten mehr als 45.000 unterschiedliche DNA-Sequenzen synthetisiert werden.

Dazu verwendete das Forscher*innenteam eine Methode zur parallelen DNA-Synthese, die so genannte „maskless array synthesis (MAS)“. Damit können Hunderttausende einzigartige DNA-Sequenzen gleichzeitig und auf derselben Oberfläche, einem Rechteck von der Größe eines Fingernagels, hergestellt werden. Da dieser Ansatz es erlaubt, die Position jeder DNA-Sequenz auf dieser Oberfläche zu kontrollieren, kann auch die entsprechende Farbe gezielt einer gewählten Position zugewiesen werden. Durch die Automatisierung des Prozesses mit Hilfe spezieller Computerskripte waren die Autor*innen der Studie in der Lage, jedes digitale Bild in eine DNA-Fotokopie mit exakter Farbwiedergabe zu verwandeln. „Im Wesentlichen wird unsere Oberfläche zu einer Leinwand, auf der wir mit DNA-Molekülen im Mikrometermaßstab ‚malen‘ können“, sagt Jory Lietard, Gruppenleiter am Institut für Anorganische Chemie der Universität Wien.

Die Auflösung ist derzeit auf XGA beschränkt, aber der Reproduktionsprozess ist auf 1080p und möglicherweise auch auf 4K-Bildauflösung anwendbar. „Über die Bildgebung hinaus könnte ein DNA-Farbcode auch im Bereich der Datenspeicherung in DNA nützlich sein“, sagt Tadija Kekić, Doktorand in der Gruppe von Jory Lietard. Wie schon der Nobelpreis 2023 für die Entwicklung von Quantenpunkten zeigt: Die Chemie der Farben hat eine große Zukunft vor sich.

Diese Arbeit wurde vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF-Projekte I4923, P34284, P36203 und TAI687) finanziell unterstützt.

Originalpublikation:

T. Kekić, J. Lietard: A Canvas of Spatially Arranged DNA Strands that Can Produce 24-bit Color Depth. Journal of the American Chemical Society. Publiziert online 4. Oktober, 2023.
DOI: 10.1021/jacs.3c06500