Alles begann mit den drei Goffin-Kakadus „Pipin“, „Muki“ und „Kiwi“, die in einer großen Voliere in Österreich in einer sozialen Gruppe gehalten wurden. Auffällig war, dass die Vögel ihren Zwieback ins Wasser tunkten und ihn wieder herausholten, bevor sie fraßen. „Wir haben dieses merkwürdige Verhalten beobachtet und wollten wissen, warum die Kakadus das tun“, sagen Jeroen Zewald, PhD Student am Messerli Forschungsinstitut (MFI) der Vetmeduni, und Alice Auersperg, Leiterin des Goffin Labs des MFI. „Im Allgemeinen werden Innovationen bei der Fütterung als intelligentes Verhalten angesehen, also waren wir neugierig, ob dies auch auf unsere Kakadus zutrifft“, so die Studienautor:innen weiter. Sie analysierten systematisch das Verhalten der Tiere während der Mittagszeit, um die Funktion dieses Verhaltens zu verstehen. „Es gibt mehrere mögliche Gründe für das Eintunken des Futters vor dem Verzehr. Kakadus könnten ihr Futter im Wasser waschen, es einweichen, würzen oder es als eine Art Schwamm benutzen, um Wasser zu ihren Küken zu transportieren“, vermuten die Forscher:innen.
Komplexes Verhalten beobachtet
Jeroen Zewald und Alice Auersperg zeigten, dass die Kakadus den Zwieback vorsichtig in das Wasser legten und ihn durchschnittlich 20 Sekunden lang einweichen ließen. Gelegentlich drehten sie das Gebäck vorsichtig um, bevor sie es verzehrten. Dabei tauchten die Vögel nur trockenen Zwieback und keine andere Nahrung in frisches Wasser ohne Geschmackszusatz ein. (Anmerkung: Zu diesem Zeitpunkt zogen die Kakadus keine Küken groß). Die Forscher:innen kamen daher zu dem Schluss, dass durch das Einweichen die Textur des Zwiebacks verändert werden sollte.
„Zudem stellten wir zu unserer Überraschung fest, dass die Kakadus auch Nudeln in Blaubeer-Sojajoghurt tauchten. Möglicherweise, um ihre Nahrung zu „würzen“. Und das Würzen von Nahrung ist bisher nur einmal beschrieben worden,“ sagt Zewald. Der Studienautor verweist dabei auf die einzige existierende Studie aus den 1960er Jahren, in der japanische Makaken Kartoffeln in Salzwasser tauchten – möglicherweise wegen des zusätzlichen Geschmacks. Die Funktion dieses Verhaltens bei Makaken wurde allerdings nie experimentell untersucht.
Geschmackssache
Indem die Forscher:innen den Kakadus die Wahl zwischen geschmacksneutralem und Blaubeer-Sojajoghurt ließen, konnten sie zeigen, dass Kakadus tatsächlich wegen des Geschmacks eintauchen. Die Vögel tunkten ihr Futter nur selten in den geschmacklosen Sojajoghurt. „Nicht alle Kakadus in unserer Gruppe zeigten jedoch dieses Eintauchen ihres Futters“, sagt Zewald. „Das bedeutet wahrscheinlich, dass es sich um eine neue Erfindung der Kakadus handelt, die nicht zu ihrem normalen Verhalten zählt.“ Interessanterweise unterschied sich die Art des Verhaltens auffallend vom Eintauchen von Zwieback in Wasser. Während ersterer vorsichtig ins Wasser gelegt wurde, „schleppten“ die Vögel die Nudeln und „rollten“ diese, um den Joghurt überall darauf zu verteilen. Außerdem fraßen die Tiere zuerst jene Nudelteile, die mit Sojajoghurt benetzt waren und tunkten die Pasta oft erneut ein.
Das Eintunken von Nahrung in Flüssigkeiten in ihrem natürlichen Lebensraum in Indonesien wurde bei den Goffin-Kakadus noch nicht beobachtet. „Diese Kakadus sind dafür bekannt, dass sie in freier Wildbahn auf innovative Weise Werkzeuge benutzen. So stellen sie beispielsweise scharfe Holzgegenstände aus Ästen her, um hartschalige Früchte zu öffnen. Solche Entdeckungen im Werkzeuggebrauch und in der Nahrungszubereitung zeigen uns, wie flexibel, innovativ und neugierig diese Tiere sind“, sagt Alice Auersperg, Professorin an der Veterinärmedizinischen Universität Wien und Autorin des Buches „Der Erfinder Geist der Tiere“.
Innovative „Problem-Löser“
„Ich hoffe, dass das Wissen um die Intelligenz der Tiere unseren Respekt vor diesen Geschöpfen fördert und nicht den Wunsch, sie als Haustiere zu halten. Sie als Haustiere zu halten, ist meines Erachtens keine gute Idee, denn diese Kakadus sind wie hyperaktive Kinder mit einem Schweizer Taschenmesser als Schnabel, mit dem sie auf vielfältige Weise großen Schaden anrichten können. Auch an sich selbst, wenn sie nicht jeden Tag stundenlang unterhalten werden und in einer adäquaten Umgebung leben.“
Dennoch trägt die Forschung zu Kakadus viel zu unserem Wissen darüber bei, wie sich Tiere anpassen und mit neuen Problemen in ihrer Umwelt umgehen können. „Obwohl wir unsere Kakadus normalerweise herausfordern, indem wir sie vor Probleme stellen und dann beobachten, wie sie diese lösen, haben die Goffins diesmal gezeigt, dass sie Lösungen für Probleme gefunden haben, an die wir gar nicht gedacht hatten. Offenbar war ihr Futter nicht schmackhaft genug,“ fügt Alice Auersperg hinzu.