In ihrer Studie verwendeten die Forscher:innen der Vetmeduni ein Verhaltensexperiment ähnlich einem Test aus der Entwicklungspsychologie, mit dem bestimmt werden soll, ob menschliche Babys die Absichten von Erwachsenen verstehen können. Beim Experiment saß die Versuchsleiterin in einer Gitterbox mit einer durchsichtigen Kunststoffscheibe an der Vorderseite, in der sich ein golfballgroßes Loch befand.
Sie bot insgesamt 48 Haushunden unterschiedlicher Rassen jeweils Leckerlis an. Einmal ließ sie das Würstel „ungeschickt“ aus der Hand fallen, sodass es wieder in die Box fiel. Oder sie zog das Leckerli zurück, kurz bevor es der Hund fressen konnte. Obwohl die grundlegenden Handgesten dieselben waren, schienen die Hunde ungeduldiger auf das Necken zu reagieren, was darauf hindeutet, dass sie den Unterschied zwischen einem Versehen und einer absichtlichen Handlung verstehen.
Mit 3D-Tracking und Künstlicher Intelligenz den Hunden auf der Spur
Acht Kameras an verschiedenen Orten nahmen die Hunde während des Experiments auf. Eine von Künstlicher Intelligenz unterstützte 3D-Tracking-Software erfasste jede Bewegung. Wenn sie geneckt wurden, waren die Hunde nur 78 Prozent der Versuchszeit in der Nähe der Box. Fiel der Versuchsleiterin das Leckerli scheinbar unabsichtlich aus der Hand, verharrten die Hunde 11 Prozent länger vor der Plastikscheibe. War das Loch in der Plastikscheibe verschlossen, liefen die Hunde schnell zur Seite des Käfigs, um so vielleicht zum ersehnten Würstel zu kommen. In diesem Fall blieben sie nur 64 Prozent der Zeit vor der Plastikscheibe.
Schwanzwedeln nach rechts steht für positive Emotionen
Die Auswertung der Daten ergab spannende Hinweise auf das Denken der Vierbeiner. Die 3D-Tracking-Software zeigte zum Beispiel, dass die Tiere dazu neigten, mit dem Schwanz auf der rechten Seite des Körpers zu wedeln, wenn die Versuchsleiterin ungeschickt mit dem Würstel herumfummelte. „Frühere Untersuchungen brachten Schwanzbewegungen nach rechts mit positiven Emotionen in Verbindung. Das stimmt mit der Annahme überein, dass die Hunde die Absichten der Versuchsleiterin für redlich hielten“, so Ludwig Huber, Studien-Letztautor und Leiter der Abteilung für vergleichende Kognitionsforschung und des Messerli Forschungsinstituts der Vetmeduni.
Verhalten ähnlich wie bei Kleinkindern und Menschenaffen
Können Hunde nun wirklich „Gedanken lesen“? Das ist laut den Forscher:innen weiterhin unklar. Dazu Studien-Erstautor Christoph J. Völter vom Clever Dog Lab der Vetmeduni: „Unsere Ergebnisse liefern solide Beweise dafür, dass Hunde zwischen ähnlichen Handlungen, die zum gleichen Ergebnis führen, aber mit unterschiedlichen Absichten verbunden sind, unterscheiden. Sie verhielten sich damit wie Kleinkinder und Menschenaffen in vergleichbaren Situationen.“ Ob ähnliche kognitive Fähigkeiten dafür die Grundlage sind, ist laut Völter möglich, aber durch die Studie nicht bewiesen.