„Eavesdropping“, also durch lauschendes Beobachten nützliche Informationen zu gewinnen, ist im Tierreich gang und gäbe. Studien zu diesem Phänomen umfassen typischerweise Tiere, die Mensch-Mensch-Interaktionen in einer Bettelsituation beobachten, d.h. eine großzügige Person, die einem menschlichen Bettler Nahrung gibt, und eine selbstsüchtige Person, die dies nicht tut. Mensch-Mensch-Interaktionen sind jedoch ökologisch nicht relevant. Das Beobachten von Mensch-Tier-Interaktionen könnte durchaus relevanter sein für mit dem Menschen lebende Tiere, da Menschen ihnen häufig wertvolle Ressourcen wie Nahrung und Schutz zur Verfügung stellen. Das ist der Fall für domestizierte aber auch für nicht domestizierte Arten, die – so wie der Elefant – bereits seit langem mit dem Menschen zusammenleben.
Elefanten kooperieren stark mit Artgenossen
In einer soeben in der Fachzeitschrift „Frontiers in Psychology“ erschienenen Studie hat nun ein internationales ForscherInnenteam unter Leitung der Vetmeduni Vienna zum ersten Mal die Fähigkeit asiatischer Elefanten getestet, sich aufgrund ihrer Erfahrung mit Menschen Urteile zu bilden und daraus entsprechende Handlungen abzuleiten. Denn Elefanten sind sehr kooperativ und haben auch bereits im Experiment bewiesen, dass sie mit ihren Artgenossen zur Zielerreichung gleichsam „an einem Strang ziehen“: Bei diesem Test müssen zwei Enden einer Schnur gleichzeitig gezogen werden, um eine Plattform mit Lebensmittelbelohnungen in Reichweite zu holen. Wenn nur an einem Ende der Schnur gezogen wird, löst sich jedoch die Schnur und die Belohnung wird unzugänglich.
Menschliche Partner werden nicht gezielt gewählt
Die WissenschafterInnen adaptierten dieses Experiment nun dahingehend, dass die Elefanten mit einem Menschen zusammenarbeiten mussten. Ihre Erfahrungen sammelten sie im Experiment entweder direkt oder sie beobachteten ein anderes Tier in Interaktion mit einem Menschen. Die Resultate zeigten, dass die Tiere aus den Beobachtungen keine Entscheidungen ableiteten und die menschlichen Partner nicht gezielt wählten. „Entgegen unserer Annahme fanden wir keine Unterstützung für die Hypothese, dass Elefanten durch indirekte oder direkte Erfahrung zwischen einem kooperativen und einem nicht kooperativen Menschen unterscheiden können“, so Erstautorin Hoi-Lam Jim vom Konrad-Lorenz-Institut der Vetmeduni Vienna.
Herausforderungen beim Studiendesign als möglicher Grund
Aus diesem Grund wurde eine Folgestudie durchgeführt, in der keine Zusammenarbeit erforderlich war. Ziel war es, zu untersuchen, ob Elefanten in einer Bettelsituation zwischen einer großzügigen und einer selbstsüchtigen Person unterscheiden können. Das Ergebnis: Die Elefanten zeigten auch hier keine Präferenzen für einzelne Personen. „Wir schließen daraus, dass unsere Ergebnisse möglicherweise eher auf Herausforderungen bei der Versuchsplanung als auf eine mangelnde Fähigkeit der Tiere zurückzuführen sind. Aus diesem Grund schlagen wir vor, dass zukünftige Experimente stärker berücksichtigen müssen, wie Elefanten multimodale sensorische Informationen zur Entscheidungsfindung nützen“, so Jim. Eine der von den WissenschafterInnen genannten Herausforderungen beim Studiendesign besteht demnach insbesondere darin, die Motivation und Aufmerksamkeit von Elefanten zu bewerten. Ein weiterer Grund könnte zudem darin liegen, dass die Elefanten im Experiment nicht genügend Erfahrungen sammeln konnten, um daraus entsprechende Entscheidungen abzuleiten. Denn andere wissenschaftliche Belege deuten – entgegen der vorliegenden Studie – laut den ForscherInnen darauf hin, dass Elefanten durchaus in der Lage sind, sich über Menschen Urteile zu bilden.