Zu Beginn der Fortpflanzung sind in der Regel eine Reihe von Entscheidungen zu treffen – zum Beispiel, wo ein Territorium etabliert und ein Partner angelockt wird oder wo ein idealer Brutplatz zur Verfügung steht. Diese Entscheidungen können von der Qualität potenzieller Partner, aber auch von anderen Artgenossen in der Umgebung beeinflusst werden. Bei Vögeln können beispielsweise Gesangsmerkmale wie die Komplexität des Gesangs die Qualität eines Individuums signalisieren.
Playbackexperimente testen die Wirkung von Gesängen
„Neben der Wahl des richtigen Ortes für die Fortpflanzung und dem Anlocken von Partnern vermuten wir, dass die akustische Umwelt zum Beispiel in Form von singenden Nachbarn auch den reproduktiven Aufwand eines Individuums beeinflussen kann“, erklärt Studien-Letztautor Herbert Hoi vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV) der Vetmeduni die Forschungshypothese der Studie. Insbesondere die frühe mütterliche Investition, also die Ressourcen, die eine Mutter ihren Embryos in den Eiern mitgibt, ist ein sensibler Faktor, der z. B. auch durch die Qualität und Attraktivität der Männchen beeinflusst werden kann und sich in der Verteilung mütterlicher Ressourcen unter den Nachkommen und schlussendlich auch in der Quältet der Nachkommen widerspiegelt.
„In diesem Zusammenhang untersuchten wir beim Teichrohrsänger, ob die Gesangsqualität von Nachbarn der gleichen Art reproduktive Parameter stimuliert“, so Herbert Hoi. Dazu führten die Wissenschafter:innen im Freiland Playbackexperimente mit Gesängen von hoher und niedriger Komplexität durch mit denen sie unterschiedliche akustische Umwelten simulierten und untersuchten welchen Einfluss diese auf Ansiedlungsentscheidungen, frühe mütterliche Investition und Bruterfolg haben.
„Schöne“ Vogelgesänge haben eine positive Wirkung
Zwar zeigten die Ergebnisse keinen Unterschied in der Anzahl der Nester und dem Beginn der Eiablage, aber die Nester lagen deutlich näher bei Standorten, an denen hochkomplexe Gesänge zu hören waren. Darüber hinaus war in der Gruppe mit hochkomplexem Gesang ein signifikant höherer Anteil der Eier vollständig dunkel pigmentiert als in der Gruppe mit weniger komplexem Gesang. Außerdem war der Bruterfolg von Nestern in der Nähe von hochkomplexen Gesängen signifikant höher und es gab daher mehr Nachkommen.
Herbert Hoi zieht daraus den folgenden Schluss: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass das akustische Umfeld, beispielweise in Form von Qualität des Gesangs, nicht nur der des männlichen Partners, sondern auch der von Artgenossen, einen gewissen Einfluss auf die Fortpflanzungsinvestitionen und den Bruterfolg hat. Bei der Investition in die Embryos scheint dieser Einfluss geringer zu sein.“ Aufgrund der Bedeutung von Verlusten an Nachkommen durch Nesträuber könnte es laut Hoi in künftigen Studien interessant sein, die Rolle des Gesangs benachbarter Männchen und deren Bedeutung für die Stimulierung von Verhaltensweisen auch während anderer Reproduktionsphasen zu untersuchen.