Große Mengen kleinster Plastikpartikel, das so genannte Mikroplastik, wehen oder fließen täglich in Flüsse, Seen und die Ozeane – so auch in die Donau. Mit dem Mikroplastik gelangen Substanzen in den Fluss, die für die dort lebenden Tiere und Pflanzen giftig sein können: In Plastik sind Zusatzstoffe, so genannte Additive, enthalten. Diese Zusatzstoffe sorgen für eine bestimmte Farbe, Konsistenz oder auch Haltbarkeit. Die Forscher*innen der Universität Wien analysieren die im „cleandanube“-Projekt gesammelten Wasserproben auf Additive aus Reifenabrieb und Weichmacher aus PVC. Sie richten den Scheinwerfer damit auf Substanzen, die in den meisten Analysen – dies gilt vorrangig für die Zusatzstoffe in Autoreifen – bisher nicht berücksichtigt werden und daher unter dem Radar bleiben.
„Die Wasserqualität der Donau wird in Monitoring-Projekten wie dem Joint Danube Survey grundsätzlich recht intensiv beobachtet. Die zwei Substanzgruppen, die wir uns anschauen, werden dabei aber nicht routinemäßig erfasst, obwohl sie gesundheits- und umweltschädlich sein können“, erzählt Thorsten Hüffer vom Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft an der Universität Wien. Der Umweltchemiker koordiniert die Analysen an der Universität Wien. Er wird Andreas Fath außerdem beim Durchschwimmen der Donau ab Passau ein Stück weit begleiten. Gemeinsam mit Thilo Hofmann, dem Leiter der Wiener Forschungsgruppe, kooperiert Hüffer bereits seit Jahren mit dem Kollegen der Hochschule Furtwangen in der Erforschung und Analyse von Plastik und Plastikrückständen in Gewässern.
Andreas Fath wird während seines Schwimm-Marathons von einem kleinen Team begleitet. An Bord des Begleitschiffes ist auch ein mobiles Labor, das Schnelltests des Wassers ermöglicht. Plastikadditive lassen sich jedoch nur mit Hilfe hochspezialisierter Messgeräte und Analysemethoden nachweisen. Die Umweltgeowissenschafterinnen Charlotte Henkel und Ruoting Peng, Doktorandinnen in der Wiener Forschungsgruppe, erforschen in ihren Dissertationsprojekten Reifenadditiven und als Weichmacher bekannte Phthalate. Sie haben einen Ansatz entwickelt, der es überhaupt erst möglich macht, die Substanzen zu messen. „Wir nehmen insgesamt 30 Stoffe aus diesen beiden Substanzgruppen in den Blick und werden für den gesamten Verlauf der Donau untersuchen, in welcher Konzentration sie vorkommen“, erklärt Thorsten Hüffer. Bisher wisse man nur bruchstückhaft, ob und wie stark man diese Additive im Donauwasser findet.
Für seine Analysen wertet das Wiener Team Wasserproben und so genannte Passivsammler aus. Passivsammler bestehen aus einer Membran, die am Neoprenanzug des Schwimmers befestigt werden. In der Membran lagern sich dann über längere Schwimmabschnitte hinweg Schadstoffe ab. An drei Zwischenstationen der Schwimmtour – in Wien, Budapest und am Eisernen Tor, einem Durchbruchstal an der Grenze von Serbien und Rumänien – werden die Umweltgeowissenschafter*innen die Proben abholen, um sie zeitnah zu analysieren.
Die Frage, ob, wann und in welcher Konzentration Schadstoffe – nicht nur jene aus Plastik – in Gewässern landen, beschäftigt das Team auch jenseits des „cleandanube“-Projekts. Für eine kürzlich in der Fachzeitschrift PNAS veröffentlichte Studie haben die Forscher*innen beispielsweise untersucht, in welcher Konzentration Reste von Arzneimitteln, Kosmetika und Lifestyle-Substanzen in die Wiener Donau gelangen. Die von der Universität York koordinierte, internationale Untersuchung führt Daten zum Verschmutzungsgrad von Flüssen in 104 Ländern zusammen. „Für die Wiener Donau haben wir auffällig hohe Reste einiger Arzneimittel, darunter auch mehrere Antibiotika, gemessen“, berichtet Forschungsgruppenleiter Thilo Hofmann. Auffällig seien auch Werte für jeweils einen Wirkstoff gegen Bluthochdruck, Allergiereaktionen und Nervenleiden gewesen. Mit dabei waren auch Paracetamol und in besonders hoher Konzentration: Koffein. Gesundheitsgefährdend sind die gemessenen Konzentrationen nicht: Da die Donau viel Wasser führt, werden die Substanzen stark verdünnt. Dennoch sind die Ergebnisse aufschlussreich: „Solche Analysen erzählen uns etwas über die Lebensweisen der Menschen und die Gesundheitsversorgung in den untersuchten Flusseinzugsgebieten“, erklärt Hofmann. Darüber hinaus kann es problematisch sein, wenn verschiedene Substanzen zusammenfließen. „Auch wenn einzelne Stoffe keine kritische Konzentration erreichen, stecken in möglichen Wechselwirkungen der Gemische ökologische Risiken“, erläutert der Umweltgeowissenschafter.
Das Wissen, das die Forschungsgruppe aus Studien zu Mikroplastik und Plastikschadstoffen schöpft, führt sie über eine Forschungsplattform der Universität Wien mit Untersuchungen aus anderen Fachbereichen zusammen. Die Forschungsplattform „PLENTY“ erforscht Plastik in der Umwelt und Gesellschaft aus diversen Perspektiven. Sie vernetzt Studien aus der Meeresökologie, Technikfolgenforschung, Psychologie, Meteorologie, Aerosolphysik und Umweltgeowissenschaft. Die beteiligten Wissenschafter*innen beschäftigen sich u.a. mit dem atmosphärischen Transport von Kunststoffpartikeln. Sie gehen der Frage nach, welche Auswirkungen Plastik im Meer auf die dortigen Mikroorganismen hat. Sie untersuchen zudem, welche Rolle das menschliche Verhalten für die Plastikverschmutzung spielt. Die Universität Wien hat die Plattform erst kürzlich für weitere drei Jahre verlängert.