Astronom*innen auf der ganzen Welt nutzen die fortschrittlichen Möglichkeiten des Mid-Infrared Instrument (MIRI) an Bord des James Webb Space Telescope (JWST), um bahnbrechende Beobachtungen von Exoplaneten durchzuführen. Manuel Güdel, Astrophysiker der Universität Wien, ist einer der Entwickler von MIRI. Auch sein Doktorand Gwenaël van Looveren ist einer der Mitautoren der neuen Studie. „JWST revolutioniert die Charakterisierung von Exoplaneten und liefert in bemerkenswerter Geschwindigkeit noch nie dagewesene Erkenntnisse“, so Güdel, ein Co-Principal Investigator des MIRI-Instruments. Eine der faszinierenden Welten, die so untersucht werden können, ist WASP-107b, ein einzigartiger gasförmiger Exoplanet, der einen Stern umkreist, der etwas kühler und weniger massiv ist als unsere Sonne. Der Planet hat eine ähnliche Masse wie Neptun, ist aber viel größer als dieser und erreicht fast die Größe des Jupiters. Diese Eigenschaft macht WASP-107b im Vergleich zu den Gasriesenplaneten in unserem Sonnensystem eher „flauschig“.

Die Flauschigkeit dieses Exoplaneten ermöglicht es den Astronom*innen, etwa 50 Mal tiefer in seine Atmosphäre zu blicken, als dies bei einem Riesen des Sonnensystems wie Jupiter möglich ist. Diese Gelegenheit eröffnete ein Fenster zur Entschlüsselung der komplexen chemischen Zusammensetzung seiner Atmosphäre. Der Grund dafür ist ganz einfach: Die Signale oder spektralen Merkmale sind in einer weniger dichten Atmosphäre viel ausgeprägter als in einer kompakteren Atmosphäre. In der nun als „Fast Track“ in Nature veröffentlichte Studie konnte das Team Wasserdampf, Schwefeldioxid (SO2) und Silikatwolken nachweisen. Bemerkenswert ist, dass dabei aber keine Spur des Treibhausgases Methan (CH4) nachweisen konnten. Diese Entdeckungen liefern entscheidende Einblicke in die Dynamik und Chemie dieses faszinierenden Exoplaneten.

Manuel Güdel von der Universität Wien erklärt: „Erstens deutet das Fehlen von Methan auf ein möglicherweise warmes Inneres hin und bietet einen spannenden Einblick in die Bewegung von Wärmeenergie in der Atmosphäre des Planeten. Zweitens war die Entdeckung von Schwefeldioxid (bekannt durch den Geruch von verbrannten Streichhölzern) eine große Überraschung.“ Frühere Modelle hatten dessen Abwesenheit vorhergesagt, aber neuartige Klimamodelle der Atmosphäre von WASP-107b zeigen nun, dass gerade die Flauschigkeit von WASP-107b die Bildung von Schwefeldioxid in seiner Atmosphäre begünstigt. Obwohl sein Wirtsstern aufgrund seiner kühleren Natur nur einen relativ geringen Anteil an hochenergetischen Photonen aussendet, können diese Photonen dank seiner flauschigen Beschaffenheit tief in die Atmosphäre des Planeten eindringen. Dadurch werden die chemischen Reaktionen ermöglicht, die für die Bildung von Schwefeldioxid erforderlich sind.

Wolken aus Sand, Wasser und Schwefeldioxid entdeckt

Eine weitere Entdeckung der neuen Studie: Wolken in großer Höhe verdecken teilweise den Wasserdampf und das Schwefeldioxid in der Atmosphäre. Während Wolken auf anderen Exoplaneten bereits vermutet wurden, ist den Astronom*innen in diesem Fall zum ersten Mal gelungen, die chemische Zusammensetzung dieser Wolken definitiv zu bestimmen. Die Wolken von WASP-107b bestehen demnach aus kleinen Silikatpartikeln, einer dem Menschen vertrauten Substanz, die in vielen Teilen der Welt als Hauptbestandteil von Sand vorkommt.

„Die Entdeckung von Wolken aus Sand, Wasser und Schwefeldioxid auf diesem flauschigen Exoplaneten durch das MIRI-Instrument von JWST ist ein entscheidender Meilenstein. Sie verändert unser Verständnis der Entstehung und Entwicklung von Planeten und wirft ein neues Licht auf unser eigenes Sonnensystem“, sagt Güdel.

Im Gegensatz zur Erdatmosphäre, in der Wasser bei niedrigen Temperaturen gefriert, können bei Gasplaneten mit Temperaturen um 1000 Grad Celsius Silikatpartikel ausfrieren und Wolken bilden. Im Fall von WASP-107b mit einer Temperatur von rund 500 Grad Celsius in der äußeren Atmosphäre sollten sich diese Silikatwolken nach herkömmlichen Modellen jedoch tiefer in der Atmosphäre bilden, wo die Temperaturen wesentlich höher sind. Außerdem regnen Sandwolken hoch oben in der Atmosphäre ab. Wie ist es dann möglich, dass diese Sandwolken in großen Höhen existieren und fortbestehen?

Michiel Min, Hauptautor der Studie, vom SRON Netherlands Institute for Space Research erklärt: „Die Tatsache, dass wir diese Sandwolken hoch oben in der Atmosphäre sehen, muss bedeuten, dass die Sandregentropfen in tieferen, sehr heißen Schichten verdampfen und der dabei entstehende Silikatdampf effizient wieder nach oben transportiert wird, wo er sich erneut zu Silikatwolken verdichtet. Dies ist dem Wasserdampf- und Wolkenzyklus auf unserer Erde sehr ähnlich, allerdings mit Tröpfchen aus Sand.“ Dieser kontinuierliche Zyklus von Sublimation und Kondensation durch vertikalen Transport ist verantwortlich für die dauerhafte Präsenz von Sandwolken in der Atmosphäre von WASP-107b.

Über die Studie

„Diese Studie vereint die Ergebnisse mehrerer unabhängiger Analysen der JWST-Beobachtungen und spiegelt die jahrelange Arbeit wider, die nicht nur in den Bau des MIRI-Instruments, sondern auch in die Kalibrierung und die Analysewerkzeuge für die mit MIRI gewonnenen Beobachtungsdaten investiert wurde“, sagt Jeroen Bouwman vom Max-Planck-Institut für Astronomie, Deutschland.

Diese Beobachtungen wurden im Rahmen des Programms 1280 für garantierte Zeitbeobachtungen durchgeführt. Dieses Ergebnis wurde in der Zeitschrift Nature veröffentlicht: ‚SO2, silicate clouds, but no CH4 detected in a warm Neptune‘, von Dyrek, Min, Decin et al, 2023, Nature ; DOI: 10.1038/s41586-023-06849-0

Das James-Webb-Weltraumteleskop ist das weltweit bedeutendste Observatorium für Weltraumforschung. Webb löst Rätsel in unserem Sonnensystem, blickt zu fernen Welten um andere Sterne und erforscht die geheimnisvollen Strukturen und Ursprünge unseres Universums und unseren Platz darin. Webb ist ein internationales Programm unter der Leitung der NASA und ihrer Partner, der Europäischen Weltraumorganisation ESA und der Kanadischen Weltraumorganisation.

Das europäische Konsortiumsteam besteht aus 46 Astronom*innen von 29 Forschungseinrichtungen aus 12 Ländern. Von der Universität Wien gehören Manuel Güdel, Nicole Pawellek und die Doktoranden Gwenaël van Looveren und Rodrigo Guadarrama zum Team. „Gemeinsam mit Kollegen aus Europa und den Vereinigten Staaten haben wir das MIRI-Instrument seit fast 20 Jahren gebaut und getestet. Es ist lohnend zu sehen, wie unser Instrument die Atmosphäre dieses faszinierenden Exoplaneten entschlüsselt“, sagt der Instrumentenspezialist Bart Vandenbussche von der KU Leuven.

Videoanimation von WASP-107b beim Umkreisen seines Muttersterns