Eine neue Studie hat auf molekularer Ebene untersucht, wie der Körper eine Infektion mit dem Humanen Papillomavirus (HPV) abwehrt und welche Faktoren dazu führen können, dass Frauen nach einer HPV-Infektion Gebärmutterhalskrebs entwickeln. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts unter der Leitung von Martin Widschwendter, Professor für Krebsprävention und Screening an der Universität Innsbruck, wurden gestern im International Journal of Cancer veröffentlicht. Auch die Molekularmedizinerin Chiara Herzog und Bioinformatikerin Charlotte Vavourakis waren an dem Projekt maßgeblich beteiligt. Herzog und Vavourakis forschen am Europäische Translationale Onkologie Präventions & Screening Institut (EUTOPS), das von Widschwendter geleitet wird.
Fehler im programmierten Zelltod verantwortlich
Eine anhaltende Infektion mit dem Humanen Papillomavirus (HPV) ist die häufigste Ursache für Gebärmutterhalskrebs – über 90% der Gebärmutterhalskrebsfälle werden durch HPV ausgelöst. Das Virus ist weit verbreitet, mehr als 80 % aller Frauen infizieren sich im Laufe ihres Lebens mindestens einmal mit HPV. Bei einer Infektion dringt das Virus in Epithelzellen ein, also in die Zellen, die den Gebärmutterhals auskleiden.
Die Forscher*innen fanden heraus, dass HPV bei der Mehrheit der Frauen zu fein getakteten epigenetischen Veränderungen führt, welche in betroffenen Zellen ein „Zelltod-Programm“ einleiten. Da das Virus nur innerhalb menschlicher Zellen überleben kann, wird es somit durch das Absterben infizierter Zellen beseitigt. Die neue Studie zeigt, dass bei manchen Frauen die Zellen des Gebärmutterhalses diese Fähigkeit verloren haben und somit nach einer HPV-Infektion kein programmierter Zelltod eintritt. Vor allem bei „gealterten“ Stamm- und Vorläuferzellen, die bereits viele Zellteilungen hinter sich haben, scheint die HPV-Infektion das normale Zelltod-Programm nicht mehr auszulösen. Dementsprechend kann das Virus in diesen Zellen überleben, sich weiter vermehren, und in Folge Zellschäden auslösen, die zum Krebs führen.
„Auch Umweltfaktoren können dazu führen, dass Stamm- und Vorläuferzellen sich schneller teilen und somit schneller ‚altern‘“, erklärt Chiara Herzog. „Dabei kann es sich um eine chronische Infektion handeln, aber auch um eine gesundheitsschädliche Angewohnheit wie das Rauchen. Unsere Ergebnisse bekräftigen, dass eine HPV-Impfung nicht nur vor einer Infektion mit dem Virus schützt, sondern auch vor Gebärmutterhalskrebs. Aber auch mit dem Rauchen aufzuhören kann Gebärmutterhalskrebs vorbeugen.“
Der Fußabdruck im Epigenom
Für die Studie wurde das Epigenom von Gebärmutterhalszellen mit und ohne HPV-Infektion untersucht. „Das Epigenom ist gewissermaßen die Software der Zelle“, erklärt Martin Widschwendter. „Es definiert, welche Gene in einer Zelle zum Einsatz kommen und wie intensiv sie das tun. Im Gegensatz zur ‚Hardware‘ unserer DNA wird das Epigenom sehr stark durch das Alter und durch äußere Einflüsse verändert.“
Die Forschung zeigt, dass das Epigenom bei gesunden Frauen so programmiert ist, dass die Anwesenheit von HPV in Epithelzellen den Zelltod auslöst – somit wird die Infektion beseitigt. Bei Frauen, deren Stammzellen sich bereits häufig geteilt haben und dadurch eine entsprechende Veränderung des Epigenoms erfahren haben, kann HPV die Zellen weiter schädigen und genetische Veränderungen auslösen, welche über Monate und Jahre hinweg zur Gebärmutterhalskrebsentstehung führen.
„Wenn wir also das Epigenom untersuchen, können wir nicht nur auf das Alter einer Person schließen, sondern auch ihren Gesundheitszustand und das Risiko, zu erkranken“, so Widschwendter.
Ein englischsprachiger Blogbeitrag zur Studie wurde auf der Webseite von The Eve Appeal veröffentlicht. The Eve Appeal ist ein britischer gemeinnütziger Verein, der das Bewusstsein der Menschen für die fünf gynäkologischen Krebserkrankungen von Eierstock, Gebärmutter, Gebärmutterhals, Vagina und Vulva schärft und entsprechende Forschungsarbeiten finanziert.
Studie:
Herzog, C., Vavourakis, C.D., Barrett, J.E., Karbon, G., Villunger, A., Wang, J., Sundström, K., Dillner, J. and Widschwendter, M. (2023), HPV-induced host epigenetic reprogramming is lost upon progression to high-grade cervical intraepithelial neoplasia. Int. J. Cancer. https://doi.org/10.1002/ijc.34477
European Translational Oncology Prevention & Screening (EUTOPS) Institute EUTOPS ist ein neues, vom Land Tirol unterstütztes, Forschungsinstitut an der Universität Innsbruck, welches von Professor Martin Widschwendter geleitet wird und in Hall in Tirol und in Zams angesiedelt ist. Der Forschungsschwerpunkt liegt auf der Identifizierung und Validierung epigenetischer Signaturen für die individualisierte Prävention, Risikovorhersage und Früherkennung von Krebs entsprechend den Prinzipien der P4-Medizin (prädiktiv, präventiv, personalisiert und partizipativ). EUTOPS arbeitet in einem translationalen Umfeld unter Anwendung von Hochdurchsatzmethoden zur Analyse von populationsbasierten Proben und von Proben aus internationalen klinischen Studien.
www.eutops.institute