Ein Forschungsteam unter Beteiligung der Paläontologin Christa Hofmann von der Universität Wien untersuchte den Einschluss der größten bisher in Bernstein entdeckten Blüte, die mitsamt ihren Pollen vor etwa 38-34 Millionen Jahren im „Baltischen Bernsteinwald“ in Harz konserviert wurde. Durch die Untersuchung der Pollen unter dem Rasterelektronenmikroskop konnte die vermeintliche Scheinkamelie nun der Gattung Symplocos zugeordnet werden. Die neuen Erkenntnisse helfen, die Pflanzenwelt des Baltischen Bernsteinwaldes weiter zu entschlüsseln, Rückschlüsse auf das Klima vergangener Zeiten zu werfen und den Wandel der Wälder nachzuvollziehen. Die Studie ist aktuell im Fachmagazin Scientific Reports erschienen.
Bernstein ist wie eine Zeitkapsel – er erhält Einschlüsse von Pflanzen und Tieren über Jahrmillionen in unglaublicher Detailgenauigkeit. „Pflanzeneinschlüsse in Bernstein sind selten, aber für die Forschung überaus wertvoll“, erklärt Christa Hofmann vom Institut für Paläontologie der Universität Wien: „Sie erlauben es, die Vegetation in verschiedenen Phasen der Erdgeschichte zu rekonstruieren und Rückschlüsse auf die Flora der sogenannten Bernsteinwälder zu ziehen.“
Ein besonders spektakulärer Puzzlestein konnte diesbezüglich nun im Rahmen einer Studie neu zugeordnet werden: Die größte bisher entdeckte Bernsteinblüte wurde unter dem Rasterelektronenmikroskop neu untersucht. Die fast drei Zentimeter große Blüte stammt aus einer der größten Lagerstätten weltweit – in Kaliningrad an der Ostsee, wo Baltischer Bernstein gefördert wird. Vor etwa 150 Jahren wurde sie entdeckt und zunächst als eine Scheinkamelie (Stewartia, Teestrauchgewächse) beschrieben – wobei an dieser Zuordnung später Zweifel aufkamen.
Im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit haben Eva-Maria Sadowski vom Museum für Naturkunde Berlin und Christa-Charlotte Hofmann von der Universität Wien nun das Fossil aus der Sammlung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR, Berlin) erstmalig neu untersucht.
Es handelt sich dabei um ein ganz besonderes Exemplar: Blüteneinschlüsse sind normalerweise nur wenige Millimeter klein und selten größer als 10 Millimeter. Die Gründe hierfür sind noch nicht ausreichend bekannt, aber vermutlich spielen die Oberflächenspannung und Viskosität des Harzes eine Rolle. Größere Pflanzenteile sind schwerer und bleiben vermutlich weniger leicht haften.
Zudem entdeckten die Forscherinnen zahlreiche Pollenkörner, die aus den Staubgefäßen der eingeschlossenen Blüte entwichen waren. „Eine so große Blüte im Bernstein zu finden, die darüber hinaus genau zum Zeitpunkt der Einbettung ins Harz ihren Pollen entlässt, ist daher sehr außergewöhnlich,“ so Eva-Maria Sadowski.
Pollen für Untersuchung mit Skalpell herausgekratzt
Die Pollen wurden für eine Untersuchung am Rasterelektronenmikroskop mit einem Skalpell herausgekratzt. „Nur unter extrem hoher Vergrößerung lassen sich morphologische Details auf den nur mikrometergroßen Pollenkörnern erkennen,“ ergänzt Christa Hofmann.
Anhand des Pollens sowie einiger Blütenmerkmale konnten die Forscherinnen das Fossil dem asiatischen Vertreter der Gattung Symplocos aus der Familie der Symplocaceae zuordnen. Diese Familie ist im englischen Sprachraum auch als „sweetleaf“ bekannt und umfasst Sträucher und kleine Bäume.
Es ist der erste Fund dieser Pflanzengattung aus Baltischem Bernstein – doch Symplocos stand damals nicht allein im Baltischen Bernsteinwald. Dieser beherbergte vor ca. 38-34 Millionen Jahren zahlreiche weitere Pflanzen, deren Nachfahren es heute nur noch in Ost- bzw. Südostasien gibt. Damals war es in Europa noch wärmer und regenreicher als heute, sodass sich viele Vertreter der Buchengewächse (z.B. Scheinkastanien, Castanopsis) und Koniferen (wie die Sicheltanne, Cryptomeria) heimisch fühlen konnten. Gemeinsam formten sie ein vielfältiges Ökosystem, das aus Küstensümpfen, Mooren und gemischten Wäldern bestand.
„Unsere neuen Erkenntnisse über diesen einmalig schönen Blüteneinschluss sind ein zusätzliches Puzzleteil, das uns hilft, die Pflanzenwelt des Baltischen Bernsteinwaldes weiter zu entschlüsseln und damit Rückschlüsse auf das Klima vergangener Zeiten zu werfen“, so Eva-Maria Sadowski. „Nur mit solchen Erkenntnissen können wir tiefere Einblicke in die Wälder der Erdgeschichte erlangen und ihren Wandel in der Zeit nachvollziehen.“
Originalpublikation:
Sadowski, E-M, Hofmann, C-C. 2022. The largest amber-preserved flower revisited. Scientific Reports.
DOI: 10.1038/s41598-022-24549-z