Vögel haben während ihres Fluges einen außergewöhnlich hohen Energiebedarf. Ein sichtbares Flug-Merkmal mancher Arten ist der Wechsel zwischen Flattern und Gleiten, wodurch sie Energie sparen sollen. Empirische Belege für einen energetischen Nutzen gab es bisher jedoch nicht. Um das zu ändern, statteten die Forscher:innen vom Menschen aufgezogene Waldrappe (Geronticus eremita) für ihre Wanderungsbewegung mit GPS-Datenloggern aus. Die Wissenschafter:innen überwachten damit die Position der Vögel, die Flügelschläge, die dynamische Gesamtkörperbeschleunigung und die Herzfrequenz als Maßgröße für den Energieverbrauch.
Gleiten statt hetzen
Studien-Erstautorin Ortal Mizrahy-Rewald vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Vetmeduni sowie vom Waldrappteam in Mutters zum zentralen Ergebnis des Forschungsprojekts: „Der Energieverbrauch wird maßgeblich durch die Länge der Schlag- und Gleitbewegungen beeinflusst. Bereits nach nur einer Sekunde im Gleitflug sinkt die Herzfrequenz deutlich. Andererseits steigt die Herzfrequenz in Phasen des Flügelschlags während der ersten 30 Sekunden stetig an, um sich danach zu stabilisieren.“
20 Prozent Gleitanteil spart mehr als 10 Prozent Energie
Der Gleitfluganteil beim Wellenflug, auch intermittierender Flug (intermittent flight) genannt, wirkt sich im Vergleich zum kontinuierlichen Flügelschlag deutlich auf die Energiebilanz aus: „Bei einem Gleitanteil von etwa 20 % maßen wir anhand der Herzfrequenz eine maximale Einsparung von 11 %. Bei höheren Gleitanteilen war die zusätzliche Energieeinsparung allerdings vernachlässigbar“, so Studien-Letztautor Thomas Ruf vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Vetmeduni. Laut Ruf ist die kombinierte Messung der Herzfrequenz und der dynamischen Gesamtkörperbeschleunigung (overall dynamic body acceleration – ODBA) unerlässlich, um die Bewegung und den Energieverbrauch der Vögel korrekt zu bestimmen.
Ambitioniertes EU-Projekt zur Wiederansiedelung
Der Waldrapp (Geronticus eremita) ist ein etwa gänsegroßer Ibis und war einst in Europa ein häufig verbreiteter Vogel. Durch intensive Bejagung starb er jedoch in Mitteleuropa im 17. Jahrhundert aus. Im Rahmen des Europäischen LIFE+EU-Projektes, das unter anderem vom WWF unterstützt wird, soll der Waldrapp wieder als echter Zugvogel in Mitteleuropa, Spanien und Italien angesiedelt werden. Ursprünglich von der Konrad Lorenz Forschungsstelle in Grünau im Almtal (Oberösterreich) ausgehend, wurden vom Artenschutzprojekt „Waldrappteam“ mehrere Auswilderungsprojekte gestartet. So werden beispielsweise in österreichischen Tierparks gezüchtete und aufgezogene Waldrappe über die Alpen in ein italienisches Überwinterungsgebiet begleitet, um von dort mit ihren Artgenossen im folgenden Frühjahr selbstständig zurück nach Norden zu fliegen.
Der Artikel „Empirical Evidence for Energy Efficiency Using Intermittent Gliding Flight in Northern Bald Ibises“ von Ortal Mizrahy-Rewald, Elisa Perinot, Johannes Fritz, Alexei L. Vyssotski, Leonida Fusani, Bernhard Voelkl und Thomas Ruf wurde in „Frontiers in Ecology and Evolution“ veröffentlicht.