Sie leuchtet strahlend hell, hat aber auch ihre finsteren Seiten. In der äußersten Atmosphärenschicht der Sonne, der Korona, entstehen immer wieder dunkle Regionen, die wie „Löcher“ erscheinen. Dieser Effekt magnetischer Felder hinterlässt nicht nur im Weltraum seine Spuren. Es betrifft uns auch auf der Erde, weil dadurch Satelliten und technologiebasierte Kommunikation gestört werden. AstrophysikerInnen der Universität Graz haben gemeinsam mit dem Skoltech Space Center in Moskau eine Methode entwickelt, die diese koronalen Löcher mit Hilfe künstlicher Intelligenz automatisch erkennt und damit rechtzeitig vor der Gefahr aus dem All warnen kann.
Auch wenn es in den vergangenen Wochen nicht immer so schien, die Sonne ist überaus aktiv. Auf der Oberfläche und in der Atmosphäre wirken hochenergetische und hochkomplexe Magnetfelder, die unterschiedliche Ereignisse hervorrufen. „Koronale Löcher entstehen, weil Plasmateilchen in die Sonnenatmosphäre entlang der Magnetfeldlinien in den Weltraum entweichen“, erklärt Robert Jarolim, Nachwuchsforscher am Institut für Physik der Universität Graz. „Dabei können schnelle Sonnenwindströme entstehen, die auf das Magnetfeld der Erde treffen. Mögliche Folgen sind geomagnetische Stürme, die die Technologie auf unserem Planeten beeinträchtigen können“, schildert Jarolim. Umso wichtiger erscheint es, dass neben anderen Phänomenen der Sonne auch die koronalen Löcher exakt und rasch identifiziert werden.
Doch selbst für die präzisesten Sonnenteleskope an Bord von Satelliten ist es nicht immer einfach, die dunklen Regionen in der Korona eindeutig zu erkennen. Das erledigt ab sofort ein neues Verfahren, das am Institut für Physik der Uni Graz gemeinsam mit dem russischen Skoltech-Institut entwickelt wurde. Die ForscherInnen setzen für ihr computergestützte Programm CHRONNOS (Coronal Hole RecOgnition Neural Network Over multi-Spectral-data) Künstliche Intelligenz ein, die die Aufgabe zuverlässig und automatisch ausführt, bestätigt Jarolim, Erstautor der im Fachjournal „Astronomy & Astrophysics“ veröffentlichten Ergebnisse.
„Die Sonne wird dazu in unterschiedlichen Wellenlängen im ultravioletten Licht aufgenommen und mit Magnetfeldkarten kombiniert. Diese Bilder werden gleichsam übereinandergelegt. Mit Hilfe eines speziellen Algorithmus kann das Netzwerk CHRONNOS die koronalen Löcher auch von anderen dunklen Sonnenregionen, wie etwa Filamenten, unterscheiden“, ergänzt Co-Autorin Astrid Veronig, Professorin am Institut für Physik und Leiterin des Sonnenobservatoriums Kanzelhöhe.
Die WissenschafterInnen erwarten sich durch die bessere Darstellung zusätzlich Rückschlüsse auf die Entwicklung des Sonnenzyklus. Im etwa elf Jahre dauernden Kreislauf tauchen koronale Löcher vor allem in der Phase mit geringerer Aktivität im größeren Ausmaß und Umfang auf. Jarolim: „Möglichweise können wir künftig das nächste Sonnenmaximum besser vorhersagen.“
Publikation
Multi-channel coronal hole detection with convolutional neural networks
R. Jarolim, A. M. Veronig, S. Hofmeister, S. G. Heinemann, M. Temmer, T. Podladchikova, K. Dissauer, Astronomy & Astrophysics
https://doi.org/10.1051/0004-6361/202140640