Der Fokus liegt klar auf Spanien: 81 Prozent der in Deutschland und Österreich befragten Studierenden berichten, dass das Spanische ihrer Lehrer*innen eindeutig dem spanischen Spanisch zugeordnet werden kann. Dazu kommt eine deutliche Dominanz der Madrider Varietät in den Schulbüchern. Authentische Begegnungen hatten die Befragten im schulischen Rahmen außerdem v.a. mit Personen aus Spanien.
Dieser Spanien zentrierte Input zeigt sich auch deutlich in der Fähigkeit der Studienanfänger*innen, regionale Unterschiede in der gehörten Sprache zu erkennen:
Ein im Rahmen der Umfrage durchgeführter Perzeptionstest zeigt, dass der Madrider Akzent am besten identifiziert wird, nämlich von 68 Prozent der Teilnehmer*innen. Dagegen kennen nur 26 Prozent der Befragten den Akzent von Mexiko – des immerhin mit Abstand größten spanischsprechenden Landes der Welt, mit mehr als einem Viertel aller Sprecher*innen weltweit (ca. 113 von 442 Millionen).
Interesse mit entsprechendem Unterricht begegnen
„Im Gegensatz zur starken Spanien-Fokussierung des Unterrichts steht das enorme Interesse der Spanischstudent*innen an Hispanoamerika“, so die Sprachwissenschaftlerin Elissa Pustka: „Hier gibt es enormen Nachholbedarf.“ Der Großteil der Befragten gibt nämlich an, im Laufe ihres Spanischstudiums vor allem die hispanoamerikanischen Varietäten kennenlernen zu wollen, allen voran Mexiko, Argentinien und Peru. Vergleichsweise wenig, nämlich nur ein Drittel, möchte noch die Madrider oder andalusische Varietät kennlernen.
Die Wünsche decken sich zum Teil auch mit den Reiseplänen der Studierenden: Zwar steht hier Spanien ganz oben auf der Liste (76%), daneben planen aber mehr als die Hälfte auch Reisen nach Mexiko und Argentinien. Costa Rica, Peru, Chile, Kuba, Kolumbien und Puerto Rico stehen ebenfalls hoch im Kurs.
Die USA wurden hingegen nur von 18 Prozent der Befragten ausgewählt – immerhin nach Mexiko auf Rang 2 der größten spanischsprechenden Länder der Welt (gemeinsam mit Spanien und Kolumbien, je ca. 45 Mio. Sprecher*innen).
Innerer Konflikt: Hybride Sprachkompetenz
„Als künftige Spanischlehrer*innen erleben zahlreiche Studierende einen inneren Konflikt: Einerseits spüren sie eine Erwartung, später in ihrem Unterricht kastilisches Spanisch zu sprechen, andererseits nehmen sie nach Reisen durch die spanischsprachige Welt und durch vielfältigen Medienkonsum, beispielsweise von Filmen oder Musik, ihre eigene Sprachkompetenz häufig als hybrid wahr“, so Linda Bäumler. Dieses natürliche Ergebnis authentischer Sprachkontakte gilt in der normativen Didaktik häufig noch als verpönt, genauso wie das in ganz Hispanoamerika akzeptierte „neutrale Spanisch“ (español neutro) mexikanischer Synchronsprecher*innen.
„Unsere Ergebnisse zeigen ganz klar: Schüler*innen sollten so früh und so viel wie möglich mit authentischen Materialien der spanischen Sprache aus aller Welt in Kontakt kommen. Auch im Universitätsstudium sollte auf einen angemessenen Anteil hispanoamerikanischer Lehrender und Themen gesetzt werden. Darüber hinaus sollten Auslandsaufenthalte ein selbstverständlicher Teil des Studiums sein,“ so die Forscherinnen.