Wo in Europa geeignete Böden dafür vorhanden sind, hat Georg Lair von der Universität Innsbruck gemeinsam mit Winfried Blum und Jasmin Schiefer von der BOKU Wien ermittelt. Das nötige Werkzeug – ein vierteiliges Klassifikationsschema – haben sie selbst entwickelt.
Laut aktuellen UN-Prognosen muss die Nahrungsmittelproduktion in den nächsten 35 Jahren verdoppelt werden, um die Ernährungssicherheit der wachsenden Weltbevölkerung zu gewährleisten. Die Frage, wie das möglich ist, ohne ökologische Schäden zu verursachen und zusätzliche Flächen in Kultur zu nehmen, stellten sich Dr. Georg Lair vom Institut für Ökologie der Universität Innsbruck und seine KollegInnen vom Institut für Bodenforschung der Universität für Bodenkultur in Wien in einem von der RISE (The Rural Investment Support for Europe) Foundation und EU-Mitteln geförderten Projekt zur nachhaltigen Intensivierung der Landwirtschaft. Basierend auf Daten aus der Europäischen Bodendatenbank (ESDB) haben die Wissenschaftler 671.672 km2 an landwirtschaftlichen Flächen in Europa in Hinblick auf ihr Intensivierungspotenzial analysiert und in vier Klassen eingeteilt. „Knapp die Hälfte der Agrarflächen in Europa eignet sich nicht für eine Intensivierung beziehungsweise sollte zum Teil sogar extensiviert werden. Auf den restlichen Flächen ist eine Intensivierung zum Teil mit gewissen Einschränkungen möglich“, fasst Georg Lair zusammen. Die Ergebnisse im Detail: 4 Prozent der analysierten Flächen sollten im Sinne der Nachhaltigkeit extensiviert werden (Klasse 1), 43 Prozent sind nicht für eine nachhaltige Intensivierung (Klasse 2) geeignet, auf 12 Prozent ist eine Intensivierung nach dem Setzen spezieller Maßnahmen möglich (Klasse 3) und nur 41 Prozent eignen sich für eine nachhaltige Intensivierung (Klasse 4). Ein Großteil davon befindet sich in der Nähe von großen Städten, in Flusstälern und Flussdeltas. Auch im Osten Österreichs befinden sich größere Flächen an geeigneten Böden für eine Ertragssteigerung ohne negative Umwelteffekte. Anschaulich dargestellt werden die Resultate des Forschungsvorhabens in Bodenkarten, die im Rahmen der Doktorarbeit von Jasmin Schiefer (BOKU) entstanden sind.
Sechs Bewertungsindikatoren
„Die größte Herausforderung, und letztendlich auch eine Erfahrungssache, war die Auswahl und Gewichtung geeigneter Parameter für das Klassifikationsverfahren“, erzählt Georg Lair, der seit vielen Jahren mit Prof. Winfried Blum, einem Doyen der österreichischen Bodenkunde, zusammenarbeitet. „Für uns war klar, dass ein Bewertungssystem möglichst einfach und im großen wie im kleinen Maßstab anwendbar sein muss.“ So haben sich die Wissenschaftler auf folgende sechs Parameter geeinigt, die bei Bodenuntersuchungen routinemäßig erfasst werden können und auch für die Bodendatenbank der Europäischen Kommission erhoben wurden: der Kohlenstoffgehalt, der Anteil an Feinpartikeln, der pH-Wert, die Kationenaustauschkapazität – ein Indikator für Basensättigung und Nährstoffzustand – sowie die Bodenmächtigkeit und die Hangneigung. Dass das vergleichsweise einfache Bewertungsschema funktioniert, hat eine Testanwendung auch auf lokaler Ebene in Rutzendorf im Marchfeld gezeigt. „Mit unserem Schema und einer repräsentativen Datenlage können wir auf lokaler Ebene jedem Bauern Auskunft über das Potenzial seines Feldes geben“, berichtet Georg Lair, der zuversichtlich ist, dass die Ergebnisse auf fruchtbaren Boden fallen werden. „Ich glaube, dass auf europäischer Ebene die Dringlichkeit einer Einbeziehung der Ressource Boden für eine nachhaltige Intensivierung erkannt wurde, sonst hätte die RISE Foundation ein derartiges Projekt nicht gestartet.“