Zentrales Forschungsinteresse war die Perspektivenübernahme von Hunden. In der ersten Studie dieses vom FWF geförderten Projekts stellten die Wissenschafter:innen insgesamt 73 Hunde – davon 36 in der Test- und 37 in der Kontrollgruppe – vor folgende Aufgabe: Die Vierbeiner konnten entscheiden, ob und wo sie in Abwesenheit eines Menschen, der ihnen dies verboten hatte, Futter stehlen sollten. Erkennen konnten die Hunde die Anwesenheit der Versuchsleiterin nur anhand eines Geräuschs (Karottenschneiden), das sie während einer dem eigentlichen Test vorangehenden Explorationsphase wahrgenommen hatten. In dieser Phase hatten die Hunde auch die Möglichkeit zu beobachten, von welcher Stelle im Raum der Karotten schneidende Mensch zu sehen war.

„Sieht mich auch wirklich niemand? Dann kann ich doch das Futter stehlen!“

Im Test konnten die Hunde schließlich Futter von zwei im Raum aufgestellten Tellern stibitzen. „Die meisten Hunde bedienten sich lieber von jenem Teller, der von der Stelle aus, an welcher der Mensch zuvor Karotten gehackt hatte, nicht zu sehen war – und zwar dann, wenn sie eine Wiedergabe des Hackgeräusches aus einem Lautsprecher hörten. Das taten sie jedoch nicht, wenn sie nur ein Kontrollgeräusch – dabei handelte es sich um Straßenlärm – hörten“, erklärt Universitätsprofessor und Studien-Erstautor Ludwig Huber vom Messerli Forschungsinstitut für Mensch-Tier-Beziehung der Vetmeduni.

28:8 – klarer Sieg für die vierbeinigen Schlaumeier

Konkret entschieden sich 28 der 36 Hunde aus der Testgruppe, beim Hören des Schneidegeräusches den nicht einsehbaren Futterteller aufzusuchen, um sich dort unerlaubterweise des Futters zu bemächtigen. Und interessanterweise wählten sie diesen Teller, obwohl er sich näher beim mit der Person assoziierten Schneidegeräusch befand. Dazu Huber: „Die Hunde mieden also ganz bewusst nicht nur die vermutete Versuchsperson, die sie zu hören glaubten, aber nicht sehen konnten, sondern schienen darüber hinaus zu versuchen, von ihr nicht gesehen zu werden oder sie nicht zu sehen, wenn sie verbotenerweise das Futter fraßen.“

Beobachtungen führen Hunde zu eindeutigen Schlüssen

Hunde der Kontrollgruppe, die dem Straßenlärm ausgesetzt waren, zeigten hingegen keine Präferenz für den uneinsehbaren Teller. „Dies deutet darauf hin, dass die Hunde der Testgruppe die Anwesenheit der Versuchsleiterin aufgrund des spezifischen akustischen Hinweises erwarteten. Die Hunde assoziierten das Geräusch des Karottenschneidens mit der Person, weil sie diese zuvor dabei beobachtet hatten“, betont Studien-Letztautor Christoph J. Völter, ebenso vom Messerli Forschungsinstitut. „Unsere Ergebnisse belegen, dass Hunde das Verhalten von Menschen vorhersehen, ohne sich auf beobachtbare visuelle Anhaltspunkte zu verlassen“, so Huber abschließend.

Der Artikel „Canine perspective-taking: anticipating the behavior of an unseen human“ von Ludwig Huber, Pauline van der Wolf, Machteld Menkveld, Stefanie Riemer und Christoph J. Völter wurde in „iScience“ veröffentlicht.
Wissenschaftlicher Artikel